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А  Б  В  Г  Д  Е  Ж  З  И  Й  К  Л  М  Н  О  П  Р  С  Т  У  Ф  Х  Ц  Ч  Ш  Щ  Э  Ю  Я  AZ

 

« »Wie kцnnte ich denn das?« fragte die Frau. »Indem Sie mir zum Beispiel die Bьcher dort auf dem Tisch zeigen.« »Aber gewiЯ«, rief die Frau und zog ihn eiligst hinter sich her. Es waren alte, abgegriffene Bьcher, ein Einbanddeckel war in der Mitte fast zerbrochen, die Stьcke hingen nur durch Fasern zusammen. »Wie schmutzig hier alles ist«, sagte K. kopfschьttelnd, und die Frau wischte mit ihrer Schьrze, ehe K. nach den Bьchern greifen konnte, wenigstens oberflдchlich den Staub weg. K. schlug das oberste Buch auf, es erschien ein unanstдndiges Bild. Ein Mann und eine Frau saЯen nackt auf einem Kanapee, die gemeine Absicht des Zeichners war deutlich zu erkennen, aber seine Ungeschicklichkeit war so groЯ gewesen, daЯ schlieЯlich doch nur ein Mann und eine Frau zu sehen waren, die allzu kцrperlich aus dem Bilde hervorragten, ьbermдЯig aufrecht dasaЯen und sich infolge falscher Perspektive nur mьhsam einander zuwendeten. K. blдtterte nicht weiter, sondern schlug nur noch das Titelblatt des zweiten Buches auf, es war ein Roman mit dem Titel: »Die Plagen, welche Grete von ihrem Manne Hans zu erleiden hatte.« »Das sind die Gesetzbьcher, die hier studiert werden«, sagte K., »von solchen Menschen soll ich gerichtet werden.« »Ich werde Ihnen helfen«, sagte die Frau. »Wollen Sie?« »Kцnnten Sie denn das wirklich, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen? Sie sagten doch vorhin, Ihr Mann sei sehr abhдngig von Vorgesetzten.« »Trotzdem will ich Ihnen helfen«, sagte die Frau, »kommen Sie, wir mьssen es besprechen. Ьber meine Gefahr reden Sie nicht mehr, ich fьrchte die Gefahr nur dort, wo ich sie fьrchten will. Kommen Sie.« Sie zeigte auf das Podium und bat ihn, sich mit ihr auf die Stufe zu setzen. »Sie haben schцne dunkle Augen«, sagte sie, nachdem sie sich gesetzt hatten, und sah K. von unten ins Gesicht, »man sagt mir, ich hдtte auch schцne Augen, aber Ihre sind viel schцner. Sie fielen mir ьbrigens gleich damals auf, als Sie zum erstenmal hier eintraten. Sie waren auch der Grund, warum ich dann spдter hierher ins Versammlungszimmer ging, was ich sonst niemals tue und was mir sogar gewissermaЯen verboten ist.« Das ist also alles, dachte K., sie bietet sich mir an, sie ist verdorben wie alle hier rings herum, sie hat die Gerichtsbeamten satt, was ja begreiflich ist, und begrьЯt deshalb jeden beliebigen Fremden mit einem Kompliment wegen seiner Augen. Und K. stand stillschweigend auf, als hдtte er seine Gedanken laut ausgesprochen und dadurch der Frau sein Verhalten erklдrt. »Ich glaube nicht, daЯ Sie mir helfen kцnnen«, sagte er, »um mir wirklich zu helfen, mьЯte man Beziehungen zu hohen Beamten haben. Sie aber kennen gewiЯ nur die niedrigen Angestellten, die sich hier in Mengen herumtreiben. Diese kennen Sie gewiЯ sehr gut und kцnnten bei ihnen auch manches durchsetzen, das bezweifle ich nicht, aber das GrцЯte, was man bei ihnen durchsetzen kцnnte, wдre fьr den endgьltigen Ausgang des Prozesses gдnzlich belanglos. Sie aber hдtten sich dadurch doch einige Freunde verscherzt. Das will ich nicht. Fьhren Sie Ihr bisheriges Verhдltnis zu diesen Leuten weiter, es scheint mir nдmlich, daЯ es Ihnen unentbehrlich ist. Ich sage das nicht ohne Bedauern, denn, um Ihr Kompliment doch auch irgendwie zu erwidern, auch Sie gefallen mir gut, besonders wenn Sie mich wie jetzt so traurig ansehen, wozu ьbrigens fьr Sie gar kein Grund ist. Sie gehцren zu der Gesellschaft, die ich bekдmpfen muЯ, befinden sich aber in ihr sehr wohl, Sie lieben sogar den Studenten, und wenn Sie ihn nicht lieben, so ziehen Sie ihn doch wenigstens Ihrem Manne vor. Das konnte man aus Ihren Worten leicht erkennen.« »Nein!« rief sie, blieb sitzen und griff nach K.s Hand, die er ihr nicht rasch genug entzog. »Sie dьrfen jetzt nicht weggehen, Sie dьrfen nicht mit einem falschen Urteil ьber mich weggehen! Brдchten Sie es wirklich zustande, jetzt wegzugehen? Bin ich wirklich so wertlos, daЯ Sie mir nicht einmal den Gefallen tun wollen, noch ein kleines Weilchen hierzubleiben?« »Sie miЯverstehen mich«, sagte K. und setzte sich, »wenn Ihnen wirklich daran liegt, daЯ ich hier bleibe, bleibe ich gern, ich habe ja Zeit, ich kam doch in der Erwartung her, daЯ heute eine Verhandlung sein werde. Mit dem, was ich frьher sagte, wollte ich Sie nur bitten, in meinem ProzeЯ nichts fьr mich zu unternehmen. Aber auch das muЯ Sie nicht krдnken, wenn Sie bedenken, daЯ mir am Ausgang des Prozesses gar nichts liegt und daЯ ich ьber eine Verurteilung nur lachen werde. Vorausgesetzt, daЯ es ьberhaupt zu einem wirklichen AbschluЯ des Prozesses kommt, was ich sehr bezweifle. Ich glaube vielmehr, daЯ das Verfahren infolge Faulheit oder VergeЯlichkeit oder vielleicht sogar infolge Angst der Beamtenschaft schon abgebrochen ist oder in der nдchsten Zeit abgebrochen werden wird. Mцglich ist allerdings auch, daЯ man in Hoffnung auf irgendeine grцЯere Bestechung den ProzeЯ scheinbar weiterfьhren wird, ganz vergeblich, wie ich heute schon sagen kann, denn ich besteche niemanden. Es wдre immerhin eine Gefдlligkeit, die Sie mir leisten kцnnten, wenn Sie dem Untersuchungsrichter oder irgend jemandem sonst, der wichtige Nachrichten gern verbreitet, mitteilten, daЯ ich niemals und durch keine Kunststьcke, an denen die Herren wohl reich sind, zu einer Bestechung zu bewegen sein werde. Es wдre ganz aussichtslos, das kцnnen Sie ihnen offen sagen. Ьbrigens wird man es vielleicht selbst schon bemerkt haben, und selbst wenn dies nicht sein sollte, liegt mir gar nicht so viel daran, daЯ man es jetzt schon erfдhrt. Es wьrde ja dadurch den Herren nur Arbeit erspart werden, allerdings auch mir einige Unannehmlichkeiten, die ich aber gern auf mich nehme, wenn ich weiЯ, daЯ jede gleichzeitig ein Hieb fьr die anderen ist. Und daЯ es so wird, dafьr will ich sorgen. Kennen Sie eigentlich den Untersuchungsrichter?« »Natьrlich«, sagte die Frau, »an den dachte ich sogar zuerst, als ich Ihnen Hilfe anbot. Ich wuЯte nicht, daЯ er nur ein niedriger Beamter ist, aber da Sie es sagen, wird es wahrscheinlich richtig sein. Trotzdem glaube ich, daЯ der Bericht, den er nach oben liefert, immerhin einigen EinfluЯ hat. Und er schreibt soviel Berichte. Sie sagen, daЯ die Beamten faul sind, alle gewiЯ nicht, besonders dieser Untersuchungsrichter nicht, er schreibt sehr viel. Letzten Sonntag zum Beispiel dauerte die Sitzung bis gegen Abend. Alle Leute gingen weg, der Untersuchungsrichter aber blieb im Saal, ich muЯte ihm eine Lampe bringen, ich hatte nur eine kleine Kьchenlampe, aber er war mit ihr zufrieden und fing gleich zu schreiben an. Inzwischen war auch mein Mann gekommen, der an jenem Sonntag gerade Urlaub hatte, wir holten die Mцbel, richteten wieder unser Zimmer ein, es kamen dann noch Nachbarn, wir unterhielten uns noch bei einer Kerze, kurz, wir vergaЯen den Untersuchungsrichter und gingen schlafen. Plцtzlich in der Nacht, es muЯ schon tief in der Nacht gewesen sein, wache ich auf, neben dem Bett steht der Untersuchungsrichter und blendet die Lampe mit der Hand ab, so daЯ auf meinen Mann kein Licht fдllt, es war unnцtige Vorsicht, mein Mann hat einen solchen Schlaf, daЯ ihn auch das Licht nicht geweckt hдtte. Ich war so erschrocken, daЯ ich fast geschrien hдtte, aber der Untersuchungsrichter war sehr freundlich, ermahnte mich zur Vorsicht, flьsterte mir zu, daЯ er bis jetzt geschrieben habe, daЯ er mir jetzt die Lampe zurьckbringe und daЯ er niemals den Anblick vergessen werde, wie er mich schlafend gefunden habe. Mit dem allem wollte ich Ihnen nur sagen, daЯ der Untersuchungsrichter tatsдchlich viele Berichte schreibt, insbesondere ьber Sie, denn Ihre Einvernahme war gewiЯ einer der Hauptgegenstдnde der sonntдglichen Sitzung. Solche langen Berichte kцnnen aber doch nicht ganz bedeutungslos sein. AuЯerdem aber kцnnen Sie doch auch aus dem Vorfall sehen, daЯ sich der Untersuchungsrichter um mich bewirbt und daЯ ich gerade jetzt in der ersten Zeit, er muЯ mich ьberhaupt erst jetzt bemerkt haben, groЯen EinfluЯ auf ihn haben kann. DaЯ ihm viel an mir liegt, dafьr habe ich jetzt auch noch andere Beweise. Er hat mir gestern durch den Studenten, zu dem er viel Vertrauen hat und der sein Mitarbeiter ist, seidene Strьmpfe zum Geschenk geschickt, angeblich dafьr, daЯ ich das Sitzungszimmer aufrдume, aber das ist nur ein Vorwand, denn diese Arbeit ist doch nur meine Pflicht und fьr sie wird mein Mann bezahlt. Es sind schцne Strьmpfe, sehen Sie«– sie streckte die Beine, zog die Rцcke bis zum Knie hinauf und sah auch selbst die Strьmpfe an –, »es sind schцne Strьmpfe, aber doch eigentlich zu fein und fьr mich nicht geeignet.«
Plцtzlich unterbrach sie sich, legte ihre Hand auf K.s Hand, als wolle sie ihn beruhigen, und flьsterte: »Still, Berthold sieht uns zu.« K. hob langsam den Blick. In der Tьr des Sitzungszimmers stand ein junger Mann, er war klein, hatte nicht ganz gerade Beine und suchte sich durch einen kurzen, schьtteren, rцtlichen Vollbart, in dem er die Finger fortwдhrend herumfьhrte, Wьrde zu geben. K. sah ihn neugierig an, es war ja der erste Student der unbekannten Rechtswissenschaft, dem er gewissermaЯen menschlich begegnete, ein Mann, der wahrscheinlich auch einmal zu hцheren Beamtenstellen gelangen wьrde. Der Student dagegen kьmmerte sich um K. scheinbar gar nicht, er winkte nur mit einem Finger, den er fьr einen Augenblick aus seinem Barte zog, der Frau und ging zum Fenster, die Frau beugte sich zu K. und flьsterte: »Seien Sie mir nicht bцse, ich bitte Sie vielmals, denken Sie auch nicht schlecht von mir, ich muЯ jetzt zu ihm gehen, zu diesem scheuЯlichen Menschen, sehen Sie nur seine krummen Beine an. Aber ich komme gleich zurьck, und dann gehe ich mit Ihnen, wenn Sie mich mitnehmen, ich gehe, wohin Sie wollen, Sie kцnnen mit mir tun, was Sie wollen, ich werde glьcklich sein, wenn ich von hier fьr mцglichst lange Zeit fort bin, am liebsten allerdings fьr immer.« Sie streichelte noch K.s Hand, sprang auf und lief zum Fenster. Unwillkьrlich haschte noch K. nach ihrer Hand ins Leere. Die Frau verlockte ihn wirklich, er fand trotz allem Nachdenken keinen haltbaren Grund dafьr, warum er der Verlockung nicht nachgeben sollte. Den flьchtigen Einwand, daЯ ihn die Frau fьr das Gericht einfange, wehrte er ohne Mьhe ab. Auf welche Weise konnte sie ihn einfangen? Blieb er nicht immer so frei, daЯ er das ganze Gericht, wenigstens soweit es ihn betraf, sofort zerschlagen konnte? Konnte er nicht dieses geringe Vertrauen zu sich haben? Und ihr Anerbieten einer Hilfe klang aufrichtig und war vielleicht nicht wertlos. Und es gab vielleicht keine bessere Rache an dem Untersuchungsrichter und seinem Anhang, als daЯ er ihnen diese Frau entzog und an sich nahm. Es kцnnte sich dann einmal der Fall ereignen, daЯ der Untersuchungsrichter nach mьhevoller Arbeit an Lьgenberichten ьber K. in spдter Nacht das Bett der Frau leer fand. Und leer deshalb, weil sie K. gehцrte, weil diese Frau am Fenster, dieser ьppige, gelenkige, warme Kцrper im dunklen Kleid aus grobem, schwerem Stoff, durchaus nur K. gehцrte.
Nachdem er auf diese Weise die Bedenken gegen die Frau beseitigt hatte, wurde ihm das leise Zwiegesprдch am Fenster zu lang, er klopfte mit den Knцcheln auf das Podium und dann auch mit der Faust. Der Student sah kurz ьber die Schulter der Frau hinweg nach K. hin, lieЯ sich aber nicht stцren, ja drьckte sich sogar eng an die Frau und umfaЯte sie. Sie senkte tief den Kopf, als hцre sie ihm aufmerksam zu, er kьЯte sie, als sie sich bьckte, laut auf den Hals, ohne sich im Reden wesentlich zu unterbrechen. K. sah darin die Tyrannei bestдtigt, die der Student nach den Klagen der Frau ьber sie ausьbte, stand auf und ging im Zimmer auf und ab. Er ьberlegte unter Seitenblicken nach dem Studenten, wie er ihn mцglichst schnell wegschaffen kцnnte, und es war ihm daher nicht unwillkommen, als der Student, offenbar gestцrt durch K.s Herumgehen, das schon zeitweilig zu einem Trampeln ausgeartet war, bemerkte: »Wenn Sie ungeduldig sind, kцnnen Sie weggehen. Sie hдtten auch schon frьher weggehen kцnnen, es hдtte Sie niemand vermiЯt. Ja, Sie hдtten sogar weggehen sollen, und zwar schon bei meinem Eintritt, und zwar schleunigst.« Es mochte in dieser Bemerkung alle mцgliche Wut zum Ausbruch kommen, jedenfalls lag darin aber auch der Hochmut des kьnftigen Gerichtsbeamten, der zu einem miЯliebigen Angeklagten sprach. K. blieb ganz nahe bei ihm stehen und sagte lдchelnd: »Ich bin ungeduldig, das ist richtig, aber diese Ungeduld wird am leichtesten dadurch zu beseitigen sein, daЯ Sie uns verlassen. Wenn Sie aber vielleicht hergekommen sind, um zu studieren – ich hцrte, daЯ Sie Student sind –, so will ich Ihnen gerne Platz machen und mit der Frau weggehen. Sie werden ьbrigens noch viel studieren mьssen, ehe Sie Richter werden. Ich kenne zwar Ihr Gerichtswesen noch nicht sehr genau, nehme aber an, daЯ es mit groben Reden allein, die Sie allerdings schon unverschдmt gut zu fьhren wissen, noch lange nicht getan ist.« »Man hдtte ihn nicht so frei herumlaufen lassen sollen«, sagte der Student, als wolle er der Frau eine Erklдrung fьr K.s beleidigende Rede geben, »es war ein MiЯgriff. Ich habe es dem Untersuchungsrichter gesagt. Man hдtte ihn zwischen den Verhцren zumindest in seinem Zimmer halten sollen. Der Untersuchungsrichter ist manchmal unbegreiflich.« »Unnьtze Reden«, sagte K. und streckte die Hand nach der Frau aus, »kommen Sie.« »Ach so«, sagte der Student, »nein, nein, die bekommen Sie nicht«, und mit einer Kraft, die man ihm nicht zugetraut hдtte, hob er sie auf einen Arm und lief mit gebeugtem Rьcken, zдrtlich zu ihr aufsehend, zur Tьr. Eine gewisse Angst vor K. war hierbei nicht zu verkennen, trotzdem wagte er es, K. noch zu reizen, indem er mit der freien Hand den Arm der Frau streichelte und drьckte. K. lief ein paar Schritte neben ihm her, bereit, ihn zu fassen und, wenn es sein muЯte, zu wьrgen, da sagte die Frau: »Es hilft nichts, der Untersuchungsrichter lдЯt mich holen, ich darf nicht mit Ihnen gehen, dieses kleine Scheusal«, sie fuhr hierbei dem Studenten mit der Hand ьbers Gesicht, »dieses kleine Scheusal lдЯt mich nicht.« »Und Sie wollen nicht befreit werden!« schrie K. und legte die Hand auf die Schulter des Studenten, der mit den Zдhnen nach ihr schnappte. »Nein!« rief die Frau und wehrte K. mit beiden Hдnden ab, »nein, nein, nur das nicht, woran denken Sie denn! Das wдre mein Verderben. Lassen Sie ihn doch, o bitte, lassen Sie ihn doch. Er fьhrt ja nur den Befehl des Untersuchungsrichters aus und trдgt mich zu ihm.« »Dann mag er laufen und Sie will ich nie mehr sehen«, sagte K. wьtend vor Enttдuschung und gab dem Studenten einen StoЯ in den Rьcken, daЯ er kurz stolperte, um gleich darauf, vor Vergnьgen darьber, daЯ er nicht gefallen war, mit seiner Last desto hцher zu springen. K. ging ihnen langsam nach, er sah ein, daЯ das die erste zweifellose Niederlage war, die er von diesen Leuten erfahren hatte. Es war natьrlich kein Grund, sich deshalb zu дngstigen, er erhielt die Niederlage nur deshalb, weil er den Kampf aufsuchte. Wenn er zu Hause bliebe und sein gewohntes Leben fьhrte, war er jedem dieser Leute tausendfach ьberlegen und konnte jeden mit einem FuЯtritt von seinem Wege rдumen. Und er stellte sich die allerlдcherlichste Szene vor, die es zum Beispiel geben wьrde, wenn dieser klдgliche Student, dieses aufgeblasene Kind, dieser krumme Barttrдger vor Elsas Bett knien und mit gefalteten Hдnden um Gnade bitten wьrde. K. gefiel diese Vorstellung so, daЯ er beschloЯ, wenn sich nur irgendeine Gelegenheit dafьr ergeben sollte, den Studenten einmal zu Elsa mitzunehmen.
Aus Neugierde eilte K. noch zur Tьr, er wollte sehen, wohin die Frau getragen wurde, der Student wьrde sie doch nicht etwa ьber die StraЯen auf dem Arm tragen. Es zeigte sich, daЯ der Weg viel kьrzer war. Gleich gegenьber der Wohnung fьhrte eine schmale hцlzerne Treppe wahrscheinlich zum Dachboden, sie machte eine Wendung, so daЯ man ihr Ende nicht sah. Ьber diese Treppe trug der Student die Frau hinauf, schon sehr langsam und stцhnend, denn er war durch das bisherige Laufen geschwдcht. Die Frau grьЯte mit der Hand zu K. hinunter und suchte durch Auf– und Abziehen der Schultern zu zeigen, daЯ sie an der Entfьhrung unschuldig sei, viel Bedauern lag aber in dieser Bewegung nicht. K. sah sie ausdruckslos wie eine Fremde an, er wollte weder verraten, daЯ er enttдuscht war, noch auch, daЯ er die Enttдuschung leicht ьberwinden kцnne.
Die zwei waren schon verschwunden, K. aber stand noch immer in der Tьr. Er muЯte annehmen, daЯ ihn die Frau nicht nur betrogen, sondern mit der Angabe, daЯ sie zum Untersuchungsrichter getragen werde, auch belogen habe. Der Untersuchungsrichter wьrde doch nicht auf dem Dachboden sitzen und warten. Die Holztreppe erklдrte nichts, so lange man sie auch ansah. Da bemerkte K. einen kleinen Zettel neben dem Aufgang, ging hinьber und las in einer kindlichen, ungeьbten Schrift: »Aufgang zu den Gerichtskanzleien.« Hier auf dem Dachboden dieses Miethauses waren also die Gerichtskanzleien? Das war keine Einrichtung, die viel Achtung einzuflцЯen imstande war, und es war fьr einen Angeklagten beruhigend, sich vorzustellen, wie wenig Geldmittel diesem Gericht zur Verfьgung standen, wenn es seine Kanzleien dort unterbrachte, wo die Mietsparteien, die schon selbst zu den Дrmsten gehцrten, ihren unnьtzen Kram hinwarfen. Allerdings war es nicht ausgeschlossen, daЯ man Geld genug hatte, daЯ aber die Beamtenschaft sich darьber warf, ehe es fьr Gerichtszwecke verwendet wurde. Das war nach den bisherigen Erfahrungen K.s sogar sehr wahrscheinlich, nur war dann eine solche Verlotterung des Gerichtes fьr einen Angeklagten zwar entwьrdigend, aber im Grunde noch beruhigender, als es die Armut des Gerichtes gewesen wдre. Nun war es K. auch begreiflich, daЯ man sich beim ersten Verhцr schдmte, den Angeklagten auf den Dachboden vorzuladen und es vorzog, ihn in seiner Wohnung zu belдstigen. In welcher Stellung befand sich doch K. gegenьber dem Richter, der auf dem Dachboden saЯ, wдhrend er selbst in der Bank ein groЯes Zimmer mit einem Vorzimmer hatte und durch eine riesige Fensterscheibe auf den belebten Stadtplatz hinuntersehen konnte! Allerdings hatte er keine Nebeneinkьnfte aus Bestechungen oder Unterschlagungen und konnte sich auch vom Diener keine Frau auf dem Arm ins Bьro tragen lassen. Darauf wollte K. aber, wenigstens in diesem Leben, gerne verzichten.
K. stand noch vor dem Anschlagzettel, als ein Mann die Treppe heraufkam, durch die offene Tьr ins Wohnzimmer sah, aus dem man auch das Sitzungszimmer sehen konnte, und schlieЯlich K. fragte, ob er hier nicht vor kurzem eine Frau gesehen habe. »Sie sind der Gerichtsdiener, nicht?« fragte K. »Ja«, sagte der Mann, »ach so, Sie sind der Angeklagte K., jetzt erkenne ich Sie auch, seien Sie willkommen.« Und er reichte K., der es gar nicht erwartet hatte, die Hand. »Heute ist aber keine Sitzung angezeigt«, sagte dann der Gerichtsdiener, als K. schwieg. »Ich weiЯ«, sagte K. und betrachtete den Zivilrock des Gerichtsdieners, der als einziges amtliches Abzeichen neben einigen gewцhnlichen Knцpfen auch zwei vergoldete Knцpfe aufwies, die von einem alten Offiziersmantel abgetrennt zu sein schienen. »Ich habe vor einem Weilchen mit Ihrer Frau gesprochen. Sie ist nicht mehr hier. Der Student hat sie zum Untersuchungsrichter getragen.« »Sehen Sie«, sagte der Gerichtsdiener, »immer trдgt man sie mir weg. Heute ist doch Sonntag, und ich bin zu keiner Arbeit verpflichtet, aber nur, um mich von hier zu entfernen, schickt man mich mit einer jedenfalls unnьtzen Meldung weg. Und zwar schickt man mich nicht weit weg, so daЯ ich die Hoffnung habe, wenn ich mich sehr beeile, vielleicht noch rechtzeitig zurьckzukommen. Ich laufe also, so sehr ich kann, schreie dem Amt, zu dem ich geschickt wurde, meine Meldung durch den Tьrspalt so atemlos zu, daЯ man sie kaum verstanden haben wird, laufe wieder zurьck, aber der Student hat sich noch mehr beeilt als ich, er hatte allerdings auch einen kьrzeren Weg, er muЯte nur die Bodentreppe hinunterlaufen. Wдre ich nicht so abhдngig, ich hдtte den Studenten schon lдngst hier an der Wand zerdrьckt. Hier neben dem Anschlagzettel. Davon trдume ich immer. Hier, ein wenig ьber dem FuЯboden, ist er festgedrьckt, die Arme gestreckt, die Finger gespreizt, die krummen Beine zum Kreis gedreht, und ringsherum Blutspritzer. Bisher war es aber nur Traum.« »Eine andere Hilfe gibt es nicht?« fragte K. lдchelnd. »Ich wьЯte keine«, sagte der Gerichtsdiener. »Und jetzt wird es ja noch дrger, bisher hat er sie nur zu sich getragen, jetzt trдgt er sie, was ich allerdings lдngst erwartet habe, auch zum Untersuchungsrichter.« »Hat denn Ihre Frau gar keine Schuld dabei«, fragte K., er muЯte sich bei dieser Frage bezwingen, so sehr fьhlte auch er jetzt die Eifersucht. »Aber gewiЯ«, sagte der Gerichtsdiener, »sie hat sogar die grцЯte Schuld. Sie hat sich ja an ihn gehдngt. Was ihn betrifft, er lдuft allen Weibern nach. In diesem Hause allein ist er schon aus fьnf Wohnungen, in die er sich eingeschlichen hat, hinausgeworfen worden. Meine Frau ist allerdings die Schцnste im ganzen Haus, und gerade ich darf mich nicht wehren.« »Wenn es sich so verhдlt, dann gibt es allerdings keine Hilfe«, sagte K. »Warum denn nicht?« fragte der Gerichtsdiener. »Man mьЯte den Studenten, der ein Feigling ist, einmal, wenn er meine Frau anrьhren will, so durchprьgeln, daЯ er es niemals mehr wagt. Aber ich darf es nicht, und andere machen mir den Gefallen nicht, denn alle fьrchten seine Macht. Nur ein Mann wie Sie kцnnte es tun.« »Wieso denn ich?« fragte K. erstaunt. »Sie sind doch angeklagt«, sagte der Gerichtsdiener. »Ja«, sagte K. »aber desto mehr mьЯte ich doch fьrchten, daЯ er, wenn auch vielleicht nicht EinfluЯ auf den Ausgang des Prozesses, so doch wahrscheinlich auf die Voruntersuchung hat.« »Ja, gewiЯ«, sagte der Gerichtsdiener, als sei die Ansicht K.s genau so richtig wie seine eigene. »Es werden aber bei uns in der Regel keine aussichtslosen Prozesse gefьhrt.« »Ich bin nicht Ihrer Meinung«, sagte K., »das soll mich aber nicht hindern, gelegentlich den Studenten in Behandlung zu nehmen.« »Ich wдre Ihnen sehr dankbar«, sagte der Gerichtsdiener etwas fцrmlich, er schien eigentlich doch nicht an die Erfьllbarkeit seines hцchsten Wunsches zu glauben. »Es wьrden vielleicht«, fuhr K. fort, »auch noch andere Ihrer Beamten und vielleicht sogar alle das gleiche verdienen.« »Ja, ja«, sagte der Gerichtsdiener, als handle es sich um etwas Selbstverstдndliches. Dann sah er K. mit einem zutraulichen Blick an, wie er es bisher trotz aller Freundlichkeit nicht getan hatte, und fьgte hinzu: »Man rebelliert eben immer.« Aber das Gesprдch schien ihm doch ein wenig unbehaglich geworden zu sein, denn er brach es ab, indem er sagte: »Jetzt muЯ ich mich in der Kanzlei melden. Wollen Sie mitkommen?« »Ich habe dort nichts zu tun«, sagte K. »Sie kцnnen die Kanzleien ansehen. Es wird sich niemand um Sie kьmmern.« »Ist es denn sehenswert?« fragte K. zцgernd, hatte aber groЯe Lust, mitzugehen. »Nun«, sagte der Gerichtsdiener, »ich dachte, es wьrde Sie interessieren.« »Gut«, sagte K. schlieЯlich, »ich gehe mit.« Und er lief schneller als der Gerichtsdiener die Treppe hinauf.
Beim Eintritt wдre er fast hingefallen, denn hinter der Tьr war noch eine Stufe. »Auf das Publikum nimmt man nicht viel Rьcksicht«, sagte er. »Man nimmt ьberhaupt keine Rьcksicht«, sagte der Gerichtsdiener, »sehen Sie nur hier das Wartezimmer.« Es war ein langer Gang, von dem aus roh gezimmerte Tьren zu den einzelnen Abteilungen des Dachbodens fьhrten. Obwohl kein unmittelbarer Lichtzutritt bestand, war es doch nicht vollstдndig dunkel, denn manche Abteilungen hatten gegen den Gang zu statt einheitlicher Bretterwдnde bloЯe, allerdings bis zur Decke reichende Holzgitter, durch die einiges Licht drang und durch die man auch einzelne Beamte sehen konnte, wie sie an Tischen schrieben oder geradezu am Gitter standen und durch die Lьcken die Leute auf dem Gang beobachteten. Es waren, wahrscheinlich weil Sonntag war, nur wenig Leute auf dem Gang. Sie machten einen sehr bescheidenen Eindruck. In fast regelmдЯigen Entfernungen voneinander saЯen sie auf den zwei Reihen langer Holzbдnke, die zu beiden Seiten des Ganges angebracht waren. Alle waren vernachlдssigt angezogen, obwohl die meisten nach dem Gesichtsausdruck, der Haltung, der Barttracht und vielen, kaum sicherzustellenden kleinen Einzelheiten den hцheren Klassen angehцrten. Da keine Kleiderhaken vorhanden waren, hatten sie die Hьte, wahrscheinlich einer dem Beispiel des anderen folgend, unter die Bank gestellt.
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